Hierarchie: Engel und Dämonen Dialog Religion Magie als Wissenschaft

Quelle: D. Rüggeberg: Christentum und Atheismus im Vergleich zu Okkultismus und Magie.

Die geistige Hierarchie — Engel und Dämonen

Im vorigen Kapitel habe ich erklärt, daß sich der unsichtbare Gott nach den Lehren der Kabbalah offenbart durch die zehn Sefiroth, die entsprechend den Angaben in der Tabelle auf Seite 17 analog sind den geistigen Sphären, die in der Bibel die Himmel genannt werden. Diese Himmel oder Sphären werden von jenen geistigen Wesen bewohnt, die in der Bibel Engel und Dämonen heißen. Die kanonische Bibel berichtet leider nichts über die Schaffung der Engel, aber in den Apokryphen habe ich neben dem bereits zitierten noch einen zweiten Bericht gefunden:

          „Am ersten Tag schuf er die Himmel droben, die Erde und die Gewässer, ebenso alle Geister, die vor ihm dienen, die Engel des Angesichts und die Engel der Heiligung, ferner die Engel des Feuergeistes und die Engel des Windgeistes, die Engel des Wolkengeistes, des Geistes der Finsternis, des Schnees und des Reifes, die Engel der Stimmen, des Donners und des Blitzes, die Engel der Geister der Kalte und Hitze, des Winters, des Frühlings, der Ernte und des Sommers und aller Geister seiner Werke in den Himmeln und auf Erden, in den Abgründen und in der Finsternis, des Abends, des Lichts, der Morgenröte und des Morgens, alles dessen, was er mit seines Herzens Wissen bereitet hat (33).“

          Wie auch diese Zeilen klar bezeugen, ist davon auszugehen, daß die Hierarchie aus zwei gegensätzlichen Arten von Geistern besteht, denen des Lichtes und denen der Finsternis. Als universale Prinzipien neutralisieren sich die beiden Engelhierarchien. Sie haben nicht die Wahl von Gut und Böse, deshalb sind diese Begriffe auf sie nicht anwendbar. Gegenteilige kirchliche Behauptungen sind reine Irrtümer. Auf die beiden Hierarchien hat auch Scholem hingewiesen:

Hierarchie nach Franz Bardon

1. Gott-Akasha / Tetragrammaton: JHVH / Makrokosmos

2. Dualität: Licht und Finsternis/Positiv und Negativ

Planetensphären

Farben

Herrscher der Planetensphären

3. Saturnsphäre

dunkelviolett

49 Intelligenzen

4. Jupitersphäre

hellblau

12 Genien (Tierkreis)

5. Marssphäre

rubinrot

36 Intelligenzen

6. Sonnensphäre

gelb

45 Genien

7. Venussphäre

smaragdgrün

90 Intelligenzen

8. Merkursphäre

orange-opalisierend

72 Genien

9. Mondsphäre

silberweiß

28 Intelligenzen

10. Erdgürtelzone:

Drei Ebenen:

a) Mentalebene – Geist

b) Astralebene – Seele

c) Physische Ebene – Körper

Mensch-Mikrokosmos

 

360 Vorsteher

Elementarreich:

1. Feuer – Salamander

2. Luft – Sylphen, Feen

3. Wasser – Undinen, Nixen

4. Erde – Gnomen


Agrippa von Nettesheim

 

Dionysius Areopagita

Geistige Sphären oder Himmel

Engelgruppe

Engelchöre

1. Erstes Bewegliche

Seraphim

Seraphim

2. Sphäre des Tierkreises

Cherubim

Cherubim

3. Saturnsphäre

Throne

Throne

4. Jupitersphäre

Herrschaften

Heilige Herrschaften

5. Marssphäre

Gewalten

Heilige Kräfte

6. Sonnensphäre

Kräfte

Mächte

7. Venussphäre

Fürstentümer

Himmlische Prinzipien

8. Merkursphäre

Erzengel

Erzengel

9. Mondsphäre

Engel

Engel (Boten)

10. Elemente-Sphäre

Selige Geister

---

„So greift er zum Beispiel mit besonderer Lebhaftigkeit einen Vorstellungskreis heraus, der speziell von den kastilischen Kabbalisten seiner Zeit, jenem mehrfach erwähnten Zirkel der ,Gnostiker' überhaupt erst näher entwickelt worden war. Ich meine die Idee einer ,linken Emanation', das heißt, einer geordneten Hierarchie der Potenzen des Bösen, der Welt Satans, die ebenso wie die Lichtwelt Gottes sich in zehn Sphären oder Stufen gliedert. Den zehn ,heiligen' Sefiroth stehen solcherart hier zehn ,unheilige' oder ,unreine' Sefiroth gegenüber (34).“

          In gleicher Weise, wie bereits über Licht und Finsternis ausgeführt, befinden sich die Wesen der Hierarchie bezüglich ihrer Eigenschaften und Kräfte in vollkommenem Gleichgewicht. Der Mensch ist nach den okkulten Lehren in die Mitte gestellt zwischen diese beiden Hierarchien, die sozusagen im Kampf liegen, um das Ich des Menschen für sich zu erobern. Neben dem Begriff Himmel wird in den christlichen Schriften auch von der Hölle gesprochen, womit bildhaft auf bestimmte Bereiche in den geistig-astralen Welten hingewiesen wird, die der Mensch nach seinem Tode zu durchwandern hat. Die geistig-astralen Bereiche, in denen sich der Mensch nach seinem Tode bewegt, gehören alle zu jenem Bereich, der in der Hierarchie auf Seite 17 als Malchuth bezeichnet ist, nicht aber zu den geistigen Planetensphären. Die geistigen Planetensphären sind nur einem voll entwickelten Magier zugänglich. Diese Sphären haben in Malchuth, oder der Erdgürtelzone, ihre entsprechenden Unterebenen, wozu Bardon in seinem Werk „Die Praxis der magischen Evokation“ anführte:

          „Die nächstfolgende, über unserer grobstofflichen Welt sich befindende Sphäre ist die Erdzone, auch Erdgürtelzone genannt. Diese Zone hat verschiedene Dichtigkeitsgrade, sogenannte Unterebenen, in die sich die Menschen nach dem Ablegen des grobstofflichen Körpers begeben. Es ist dies die sogenannte Astralwelt, wo sich in den tieferen Dichtigkeitsgraden die Alltagsmenschen und in den höheren Schichten der Entwicklung gemäß auch Eingeweihte nach dem physischen Tod mit ihrem Astralkörper aufhalten. Himmel und Hölle gibt es in der Astralwelt nicht, dies sind beschränkte religiöse Ansichten und Lehren verschiedener Religionen, die das Leben in der astralen Welt aus purer Unkenntnis als Himmel und Hölle bezeichnen. Wollte man die niederen, gröberen Schichten der Astralwelt als Hölle und die höheren, lichteren als Himmel bezeichnen, könnte ein Teil der Religionsbehauptungen wahr sein (35).“

          In den religiösen Urkunden wird mit dem Begriff Himmel sowohl auf die Wohnbereiche der Engel und Genien als auch auf Aufenthaltsbereiche der Toten hingewiesen, was nicht so leicht zu unterscheiden ist. Zum positiven und negativen Teil der Hierarchie schrieb er: „Gerade so, wie es in der Erdzone positive, also gute, und negative, unserer Anschauung nach schlechte Wesen gibt, so ist dies in allen anderen Zonen der Fall. Die guten oder positiven Kräfte und Wesen werden allgemein als Engel und Erzengel, die negativen Wesen als Dämonen und Erzdämonen bezeichnet (36).“

          In den Apokryphen wird oft die Sphärenzugehörigkeit durch ganz bestimmte Zusätze ausgedrückt, so finden sich dort Höllenengel, Plageengel, Friedensengel, Strafengel, Engel der Gerechtigkeit usw., um auf die spezifischen Eigenschaften dieser Wesen hinzudeuten.

          Von größter Wichtigkeit für die menschliche Entwicklung sind die 360 Vorsteher der Erdgürtelzone, zu denen Bardon u. a. ausführt: „Diese Vorsteher, die ich im nachfolgenden näher beschreibe, halten in der Erdgürtelzone alles Walten und Wirken in steter Harmonie. Jeder Vorsteher ist eine hohe Intelligenz, ausgestattet mit allen Fähigkeiten, die ein jedes Wesen dieser Sphäre besitzt. So z. B. kann ein Magier von jedem Vorsteher sowohl Vergangenes, als auch Gegenwärtiges und ebenso Zukünftiges über unsere grobstoffliche Welt in Erfahrung bringen, und jeder Vorsteher kann durch das Akashaprinzip auch auf unserer Erde wirksam sein (37).“

          Auf die 360 Vorsteher wurde auch in den alten christlichen Schriften hingewiesen, z. B. heißt es im Henochbuch dazu: „Ihre vier Führer, die die vier Jahresteile teilen, treten zuerst ein; dann kommen die zwölf Führer, die die Monate einteilen, und für die 360 Tage sind es die Chiliarchen, die die Tage einteilen, und für die vier Schalttage sind es die Führer, die die vier Jahresteile zerteilen. Diese Chiliarchen sind zwischen Führer und Führer eingeschaltet, jeder hinter einer Station (33).“

          Die zwölf Führer, die als Einteiler der Monate genannt werden, sind selbstverständlich identisch mit den zwölf Genien der Jupitersphäre, den Herren des Tierkreises, wie sie von Bardon ausführlich beschrieben wurden. Auf diese zwölf Genien als Herren der göttlichen Weisheit und Allwissenheit wird auch bei Henoch hingewiesen: „An den Erdenenden sah ich zwölf Tore nach allen Richtungen hin geöffnet; aus ihm kommen die Winde und wehen über die Erde hin (39).“ Weisheit und Allwissenheit sind analog dem Element der Luft, dem zweiten He des Tetragrammaton, worauf hier hingedeutet ist.

          Über die Aufgaben der Engel gibt es in den apokryphen Schriften umfangreiche Berichte, natürlich in der Bildersprache, die man aber nur umzusetzen braucht. Welche Macht diese Wesen in unserem Kosmos ausüben, wird keineswegs verheimlicht: „Die einen Engel herrschen über die Zeiten und Jahre, die andern über die Flüsse und Meere, wieder andere über die Frucht, das Gras und jedes Gewächs, und andere sorgen für das Leben aller Menschen und schreiben vor dem Angesicht des Herrn auf (40).“

          Im apokryphen „Testament des Adam“ heißt es über die Hierarchie der Engel u. a.: „Wie ist die Natur der himmlischen Mächte beschaffen? Welches sind die Dienstleistungen und Aufgaben, die der Allmächtige ihnen für die Leitung dieser Welt übertrug? Hört es, meine Freunde! Diese Wesen bilden verschiedene Ordnungen, wovon die einen unter den andern stehen, bis auf den, der unmittelbar durch Jesus Christus getragen und bewegt wird. Die unterste Ordnung ist die der Engel. Die zweite Ordnung ist die der Erzengel. Die dritte Ordnung ist die der Fürstentümer. Die vierte Ordnung ist die der Mächte. Die fünfte Ordnung ist die der Kräfte. Ihre Aufgabe besteht darin, daß sie die Dämonen hindern, die Gottesschöpfung, aus Neid auf die Menschen, zu zerstören. Die sechste Ordnung ist die der Herrschaften. Die andern Ordnungen sind die der Throne, der Seraphim und der Cherubim. Diese sind es, die vor der Majestät unseres Herrn Jesus Christus stehen; sie üben den Throndienst aus und bringen ihm zu jeder Stunde ihre Verehrung und ihre Opfer dar (41).“ An der Tatsache, daß die Namen der Engelgruppen manchmal unterschiedlich genannt werden, sollte man sich nach so vielen Jahrhunderten nicht stoßen.

          In der Bibel wird auf die Existenz der beiden Hierarchien zwar nur bildhaft hingewiesen, aber für den aufmerksamen Leser sind die Hinweise deutlich genug, z. B. in Hi 2: „Und es geschah eines Tages, da kamen die Söhne Gottes (die Engel und Dämonen, d. V.) um sich vor dem HERRN einzufinden. Und auch der Satan kam in ihrer Mitte, um sich vor dem HERRN einzufinden.“

          Wie ein Theologe, der sogar vier Jahre in den vatikanischen Bibliotheken studiert hat, angesichts des vorgenannten Zitates zu der folgenden Aussage kommen kann, ist mir schleierhaft: „Eine andere dämonische Irrlehre, die zuweilen in späteren Häresien, wie wir eben gehört, in Verbindung mit der Demiurgenlehre auftritt, aber ursprünglich sich im Laufe der Religionsgeschichte später entwickelt hat, ist der Dualismus, in dem es Satan wagte und wagt, sich in den Augen irregeführter Menschen gleichberechtigt neben Gott zu stellen. In der vorchristlichen Zeit ist der Dualismus erst allmählich entstanden aus der heidnischen Vorstellung, daß die Dämonen ,Abspaltungen vom Höchsten Wesen', also sozusagen nahe Verwandte des wahren Gottes, mithin wirkliche Ab-Götter seien, die aber immer noch Gott untergeordnet blieben (42).“

          Dem Autor wird überhaupt nicht bewußt, daß er genau dasjenige hier als dämonische Irrlehre bezeichnet, was in der Bibel schwarz auf weiß enthalten ist. Auch die folgenden Sätze widersprechen den biblischen Tatsachen: „Das kirchliche Lehramt hält daran fest, daß es persönliche böse Geister gibt, von Gott geschaffene freie Wesen, die sich aus eigener Schuld von Gott abgewandt haben. — Für eine christliche Theologie ist es selbstverständlich, daß es keine Wesen geben kann, die von vornherein böse sind (43).“

          Es wäre leicht, Hunderte von Seiten zu zitieren zum Beweis dafür, daß die Theologen, von Ausnahmen vielleicht abgesehen, in keiner Weise begreifen, daß der geoffenbarte Gott ausschließlich als Dualität auftreten kann. Dabei ist und bleibt das böse oder negative Prinzip in gleicher Weise ein göttliches wie das gute oder positive. Wie im Zitat Hi 2 gezeigt, ist dort keine Rede von einer Feindschaft Satans gegen Gott, wie der kirchliche Aberglaube seine christlichen Mitglieder glauben machen will. Vielmehr erhalten die Engel der Finsternis ihre Aufträge von Gott in der gleichen Selbstverständlichkeit wie die Engel des Lichtes.

          Zur Herkunft der Engellehre im Christentum heißt es bei H. P. Blavatsky in „Isis entschleiert“ auf Seite 210: „Christliche Theologie, die die Lehre von den Erzengeln und Engeln direkt aus der orientalischen Kabbala bezog, von der die Mosaische Bibel nur ein allegorischer Deckmantel ist, sollte sich schließlich der Hierarchie erinnern, die für diese personifizierten Emanationen von der Kabbala eingesetzt wurde. Die Geisterscharen der Cherubim und Seraphim, mit denen wir gewöhnlich die katholischen Madonnen auf ihren Bildern umgeben sehen, gehören, zusammen mit den Elohim und Beni Elohim der Hebräer, zu der dritten kabbalistischen Welt, Jezirah. Diese Welt ist nur eine Stufe höher als Asiah, die vierte und niedrigste Welt, in der die gröbsten und materiellsten Wesen wohnen — die Klippoth, die sich am Übel und Unglück erfreuen und deren Haupt Belial ist (44).“

          Innerhalb des Christentums geht die Hierarchienlehre zurück auf Dionysius Areopagita, der von neun Engelchören spricht, deren verschiedene Namen sich auch in der Bibel nachweisen lassen. Zum weiteren Vergleich habe ich die Hierarchien von Agrippa von Nettesheim (1486—1535) und Dionysius Areopagita (5./6. Jh.) auf Seite 33 zusammengestellt, und darüber jene von Franz Bardon, welche die präzisesten Angaben enthält.

          Der Vergleich zeigt jedenfalls, daß die Grundlagen in Verbindung mit dem Sefirothbaum, den zehn kabbalistischen Schlüsseln, immer dieselben bleiben. Eine hervorragende Studie zur geistigen Hierarchie findet sich in dem Werk „Engel und Dämonen“ von Alfons Rosenberg, aus dem der Zusammenhang mit den Lehren von Okkultismus und Magie besonders deutlich hervorgeht, obwohl der Autor sich offenbar mit diesen Wissenschaften nie intensiv befaßt hat. Zum Alter der Vorbilder der biblischen Engeldarstellungen heißt es bei ihm:

          „Wie die Denkmäler des Zweistromlandes bezeugen, wurden in den Religionen Sumers, Babylons und Assyriens die göttlichen Genien oder Schutzgeister als gewaltige, feierlich-ernste Machtgestalten geschaut und dargestellt. In ihnen findet seit der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. der Engelglaube der Sumerer und später der Babylonier sein Bild. Die monumentalen Gestalten der hohen Geistwesen – es sind dies die ältesten Engeldarstellungen der menschlichen Kunst, die später zu Vorbildern der jüdischen und christlichen Seraphim und Cherubim geworden sind – gelangten erst im letzten Jahrtausend durch die Assyrer zur Vollendung (45).“

          In schönster Übereinstimmung mit den okkulten Lehren schreibt er: „So sind die Engel die Gehilfen Gottes, mit deren Beistand er die Weltschöpfung und die Weltvollendung ins Werk setzt. ... Ihre im Text der Bibel geschilderten Funktionen kennzeichnen zugleich auch ihre Berufungen und ihre Ämter. ... Als Glieder der himmlischen Ratsversammlung stehen die Engel in Willensgemeinschaft mit Gott. ... Die keiner Wandlung unterworfenen, unsterblichen Urgeister, die Engel, bilden, um den Thron des ,Vaters der Geister' vereinigt, die himmlische Ratsversammlung, in deren Mitte Gott herrscht und richtet. ... Bote ist der Engel darum, weil er nicht aus eigenem Antriebe, sondern im Auftrag des Herrn der Geister handelt (46).“

          In der Magie und auch in der Bibel spielt die Siebenzahl eine große Rolle. Sie hat eine doppelte Bedeutung in der Esoterik, einerseits bezieht sie sich auf die sieben Sphären oder Himmel (Mond bis Saturn), andererseits ist sie analog der Zahl Sieben des kabbalistischen Lebensbaumes, also der Venus-Sphäre. Rosenberg bemerkt dazu u. a.: „Es entspricht der Weltsymbolik des Altertums, daß jene Engel, welche als Minister der Weltregierung wirken, eine Siebenheit bilden. Denn die Sieben ist die Schlüsselzahl sowohl für die jüdischchristliche Esoterik wie auch für die geistige und irdische Welt im Vorderen Orient. Siebenfach sind — gemäß dieser altorientalischen Gnosis — nicht nur der Kosmos, Zeit und Raum, sondern auch die Geisterwelt gegliedert. Und die Sphären des Himmels sind siebenfach geschichtet. ... Mit den sieben ,Augen' seiner Ur- und Erzengel, ,den Augen des Herrn, die über die ganze Erde schweifen' (Sach 4,10), schaut, durchdringt und regiert Gott die Welt. Diese ,augenhaften' Urengel stellen demnach jenen integrierenden Teil Gottes dar, der sich auch in der Welt befindet; sie sind gewissermaßen die Geistesarme des sich zur Welt hin entäußernden Gottes. ... In Babylon waren die Götter als Flügelwesen dargestellt, als astrale Mächte, welche durch die sieben Planeten, ihre ,Befehlsempfänger', den Weltenlauf regierten. Zudem waren die Planetengeister den sieben Weltsphären – in den siebenfach gestuften Tempeltürmen dargestellt – als Archonten vorgesetzt (47).“

          Über die Herkunft der Lehre von der Hierarchie der Engel im Christentum heißt es: „Die entscheidende Ausgestaltung der Lehre von der hierarchischen Gliederung der neun Engelchöre ist jedoch das Werk des christlichen Schülers des Neuplatonikers Proklos, der als Bischof von Alexandrien seine Schriften unter dem Pseudonym Dionysius Areopagita veröffentlichte. ... Die Lehre von den himmlischen Hierarchien ist erst durch die Autorität von Papst Gregor dem Großen im Westen eingebürgert worden (48).“

          Auch mit der folgenden Aussage kann der Okkultist grundsätzlich übereinstimmen: „Jeder Engelchor – in den Darstellungen der christlichen Kunst jeweils oft nur durch einen Engel vertreten – besitzt seine ihm zukommende Eigentümlichkeit, im Zusammenhang mit den Dienstleistungen, zu denen er berufen ist. Allerdings besitzen nach der Lehre des Dionysius die oberen Chöre zugleich auch die Eigenschaften der ihnen untergeordneten. Im Aufstieg der Engelchöre sammeln sich demnach die Eigenschaften wie in einem Fokus, so daß der oberste Chor der Seraphim über alle Gaben der übrigen acht verfügt (49).“

          Ein Beispiel dafür, wie stark der Einfluß der kirchlichen Politik auf die christliche Lehre und Kunst gewesen ist: „lm Gegensatz zu Ihnen (den Seraphim und Cherubim) sind die Boten Gottes, welche zu den Menschen auf Erden als Botschafter und Beistand gesandt sind, stets flügellos: sie zeigen sich in Gestalt von bärtigen Männern oder von Jünglingen. — Einer der Gründe für die Darstellung flügelloser Engel war die Befürchtung, durch die Flügel an die vorchristlichen Daimonen, Eroten und Viktorien zu erinnern. Denn das frühe Christentum wollte sich deutlich vom Heidentum unterscheiden. In dieser Periode war die Engelverehrung bereits derart verbreitet, daß die Lehrer der Kirche mit Recht befürchteten, der Engelkult würde den Christuskult überwuchern. Darum wurde auf dem Konzil von Laodicea im Jahre 363 verboten, den Engeln außerhalb der öffentlichen Gottesdienste einen privaten Kult zu widmen (50).“

          Auch diese Sätze stehen in bester Übereinstimmung mit den Lehren von Magie und Okkultismus: „Es entsprach spätantiker und mittelalterlicher Weltsicht, daß die Bewegungen der Sterne und Planeten durch Geistwesen gelenkt werden; sie sind aber nicht nur die Beweger, sondern auch die Schutzengel der Sterne. — Die Gestirne sind in dieser Sicht mit Gott durch ihre Engel verbunden; sie sind die Botenmächte Gottes, der sich ihrer als Zweitursachen zur Lenkung der Geschicke auf Erden bedient. Der Wille Gottes wirkt demnach über die Engel und ,ihre Sterne' auf die Menschenwelt (51).“

          Ohne der Frage nach der Herkunft des Wissens von den Engeln und der Hierarchie ausreichend nachgegangen zu sein, kommt Rosenberg leider zum Schluß seiner wertvollen Arbeit zu dem typischen Urteil des Ignoranten: „Es muß dem heutigen Menschen genügen, um das Dasein des Engels zu wissen — zu erreichen ist er für ihn nicht mehr. ... Doch eine Brücke zu den Engeln und ihrem Dasein gibt es nicht (52).“

          Der Okkultist tritt solchen Worten entschieden entgegen: Das theoretische Wissen um die Engel muß dem Menschen nicht genügen! Es gibt Brücken zu den Engeln, und der Mensch muß nur den Mut haben diese zu betreten! Über solche Urteile kann der Okkultist nur den Kopf schütteln, nachdem die Werke von Bardon und Steiner seit Jahrzehnten auf dem Markt sind. Hier zeigt sich einmal mehr, in welche geistigen Sackgassen die moderne Erziehung führt.

          Aus dem Werk von Rosenberg geht jedenfalls deutlich hervor, daß das Wissen von der Hierarchie der Engel ein Grundbaustein für das gesamte christliche Weltbild ist. Ohne das Wissen von der Hierarchie muß das christliche Weltbild Stückwerk bleiben, was meine bisherigen Ausführungen über den Sefirothbaum wohl schon gezeigt haben.

          Zur Anordnung der Planetensphären muß gesagt werden, daß diese auf der Ordnung in den geistig-astralen Sphären beruht, die also nicht identisch ist mit der astronomischen Ordnung der physischen Planeten. Das sogenannte geozentrische Weltbild hat seinen Ursprung in den Mysterien des Altertums, worauf eben auch das Weltsystem des Ptolemäus noch beruhte. Das Weltsystem des Kopernikus ist auf rein physische Beobachtungen und Tatsachen aufgebaut, wobei obendrein der Fehler unterlief, daß die Planeten Venus und Merkur verwechselt wurden.

          Nach den Lehren von Bardon sind die Planetensphären rein geistige Sphären, welche sich also über den drei Ebenen, der geistigen, astralen und physischen, von Malchuth erheben. Allerdings haben die Vorsteher der Engel oder Genien der Planetensphären vollen Einfluß auf die drei Ebenen der Erdzone, wie er in seinem Werk über die Hierarchie deutlich macht: „Jede Sphäre vom Mond bis zum Saturn hat eine dreifache Wirkung: Mental, astral und physisch (53).“

          Ferner bleibt festzuhalten, daß der Mensch mit seinem geistigen, astralen und physischen Körper eingespannt ist in die Gesetzmäßigkeiten dieser drei Welten, aus denen heraus u. a. die Ursachen für sein gesamtes Schicksal fließen.

          Die Sphären oder Himmel sind demnach die Regierungsbezirke der Engel oder Genien der Hierarchie, die aus magischer Sicht als offenbarte Teilaspekte des unsichtbaren, unpersonifizierten makrokosmischen Gottes anzusehen sind. Danach hat Gott seine Eigenschaften und Kräfte personifiziert in den geistigen Wesen der Hierarchie und ihnen festumrissene Aufgaben innerhalb der kosmischen Entwicklung gegeben. Die Wesen der Hierarchie sind also gebunden an ihre Sphären oder Zonen, was Bardon mehrfach deutlich gemacht hat: „Ein jedes Wesen aus jeglicher Zone, ob gut oder schlecht, ob Engel oder Erzengel, Dämon oder Erzdämon, ist von der Göttlichen Vorsehung in seinen Eigenschaften beschränkt und ist von diesen in seiner Zone abhängig (54).“

          Durch diese Aussage wird der entscheidende Unterschied zwischen einem Engelwesen der Hierarchie und dem Menschen deutlich. Wie im vorigen Kapitel gezeigt, ist im Menschen die ganze Fülle Gottes durch die Grundlagen des Tetragrammaton JHVH zusammengeflossen. Daraus folgt weiter, daß der Mensch im kosmischen Geschehen keine festgesetzten Aufgaben hat, sondern seine eigenen Ziele verfolgen kann. In die Mitte gestellt zwischen die Engel des Lichtes und der Finsternis, ist ihm die Möglichkeit gegeben, im Laufe seiner Entwicklung alle göttlichen Eigenschaften und Kräfte in sich zu verwirklichen.

          Für den gegenwärtigen Entwicklungszyklus der Erde wird grundsätzlich mit sieben Planetensphären gerechnet. In der Tabelle auf Seite 17 sind aber noch die Engelgruppen der Seraphin und Cherubin angeführt. Aus okkulter Sicht stehen die Seraphin in einem inneren Zusammenhang mit der Sonnensphäre und die Cherubin mit der Jupitersphäre. Es gibt noch drei weitere Sphären, nämlich die von Uranus, Neptun und Pluto, die aber erst in den kommenden drei Verkörperungen der Erde für die menschliche Entwicklung in Tätigkeit treten werden. Einige Hinweise zu den vier bisherigen Verkörperungen der Erde werden im nächsten Kapitel gegeben.

          Ausführliche Darstellungen über die Aufgaben der Hierarchie im kosmischen Geschehen sind im Werk „Die Praxis der magischen Evokation“ von Bardon enthalten, deshalb kann ich mich hier mit ein paar kleinen Ausschnitten begnügen. Er schrieb dort u. a.: „Erde: Die unterste Sphäre ist unsere grobstoffliche Welt mit den drei Reichen — Mineral-, Pflanzen- und Tierreich —. Der physische Körper des Menschen hat mit diesen drei Reichen einen analogen Zusammenhang. Mond: Als Planet beeinflußt er alles Flüssige auf unserer Erde. Die Mondsphäre dagegen ist dem Astralkörper und der Astralmatrize des Menschen analog. Merkur: Der Merkurplanet beeinflußt den gasförmigen Zustand unserer Erde. Seiner Sphäre unterliegt der Mentalkörper des Menschen. Venus: Beeinflußt als Planet die Fruchtbarkeit unserer Erde im Pflanzen- und Tierreich. Der Venussphäre fallen wiederum die Sympathie, Liebe und Befruchtung des Menschen zu. Sonne: Diese beeinflußt auf unserer Erde das grobstoffliche Leben in allen drei Reichen. Die Sonnensphäre erhält durch die einzelnen Matrizen den Mental-, Astral- und grobstofflichen Körper am Leben. Mars: Als Planet wirkt er sich durch den Selbsterhaltungstrieb sowohl im Tierreich als auch beim Menschen am meisten aus. Im Menschen selbst weckt die Marssphäre den Impuls und den Hang zum Leben. Sie wirkt auf seinen Charakter, seine Eigenschaften, auf alle seine Kräfte und Fähigkeiten. Jupiter: Bewirkt als Planet die Harmonie und Gesetzmäßigkeit. Die Jupitersphäre hingegen regiert die schicksalsmäßige Evolution und die Gerechtigkeit im Menschen, lenkt seinen Weg zur Vervollkommnung und zum Streben nach dem Höchsten, je nach der Reife eines jeden einzelnen. Saturn: Wirkt als Planet auf das Schicksal aller drei Reiche — Mineral-, Pflanzen- und Tierreich — auf unserer Erde. In seiner subtilsten Form ist er bei uns als der sogenannte Äther (Akasha, d. V.) bekannt. Die Saturnsphäre hingegen lenkt das Schicksal des Menschen, das Karma genannt wird (55).“

          Die Aussagen von Bardon zur Saturnsphäre stehen in Einklang mit denen von G. Scholem: „Hier aber, in Bina, ist der Mutterschoß aller Schöpfung, welcher nichts ist als die Harmonie in der Unterscheidung, der Einklang alles Differenzierten, die Einheit aller Gegensätze, die nun aufbrechen. Es findet in ihr, wie die Kabbalisten gerne sagen, keine Strenge statt, und doch liegen in ihr die Wurzeln ihres Waltens, der ,Mächte des Gerichts' (56).“

          In der Bibel wird auf die zehn Sefiroth bzw. auf die Planetensphären durch ein Bild hingewiesen: „Und Jakob zog aus von Beersheba und ging nach Haran. Und er träumte; und siehe, eine Leiter war auf die Erde gestellt, und ihre Spitze berührte den Himmel; und siehe, Engel Gottes stiegen darauf auf und nieder (1. Mos. 28,10).“

          Wie hier gezeigt, haben die einzelnen Sphären ihre ganz speziellen Macht- und Wirkungsbereiche. In den okkulten Lehren gilt die Sonnensphäre als die höchste der Hierarchie, steht somit dem Gott des Universums am nächsten. Dies wird auch von Bardon betont: „Die Urgenien der Sonnensphäre sind ihren Machtbereichen nach in der kosmischen Rangordnung als Vermittler zum Urschöpfer des planetarischen Systems anzusehen (57).“

          Von allen Genien der Sonnensphäre gilt wiederum ein Wesen als das höchste, als höchster Vertreter des unsichtbaren, unpersonifizierten Gottes. Das Wissen davon stammt ursprünglich aus der Kabbalah und läßt sich in meiner Tabelle auf Seite 17 ablesen. Agrippa von Nettesheim schrieb dazu: „Der erste Name davon ist Eheie, der Name der göttlichen Wesenheit. Seine Sephira heißt Kether, welches Krone oder Diadem bedeutet und die Einfachheit des göttlichen Wesens bezeichnet; sie heißt auch, was kein Auge gesehen hat, und wird Gott dem Vater zugeteilt. Sie fließt durch die Ordnung der Seraphim, oder wie die Hebräer sie nennen, Chajoth hakkodesch, d. h. Thiere der Heiligkeit, und hierauf durch das erste Bewegliche (Primum mobile) ein und verleiht allen Dingen ihr Dasein, das Universum seinem ganzen Umfange nach bis zum Mittelpunkte erfüllend. Ihre Intelligenz heißt Metatron, das ist Fürst der Angesichter. Sein Amt ist es, andere vor das Antlitz des Herrn zu führen und durch ihn hat der Herr zu Moses geredet (58).“

          Die zehnte Sephira Malchuth wird bei Bardon mit der „Erdgürtelzone“ gleichgesetzt. Auch darüber weiß Agrippa wertvolles zu berichten: „Der zehnte Name ist Adonai melech, das ist Herr und König. Seine Sephira heißt Malchuth, Reich und Herrschaft, und bedeutet die Kirche, den Tempel Gottes und die Türe; sie fließt durch die animistische, d. h. durch die Ordnung der seligen Seelen ein, die von den Hebräern Issim, oder Edle, Heroen und Fürsten genannt werden. Diese, die niedriger sind als die Hierarchien, flößen den Menschenkindern wunderbare Kenntnis der Dinge und Fleiß ein, sowie sie ihnen auch die Gabe der Weissagung verleihen. Ihr Vorsteher ist die Seele des Messias, oder wie andere sagen, die Intelligenz Metatron, welche die erste Kreatur oder die Weltseele heißt und dem Moses vorgesetzt war (59).“

          Die im Zitat als Issim, Edle, Heroen und Fürsten bezeichneten Wesen sind ohne Zweifel identisch mit den 360 Vorstehern der Erdgürtelzone, die bei Bardon ausführlich beschrieben wurden. Zu Metatron schrieb Bardon: „In der Sonnensphäre regieren insgesamt 45 Genien. Ihr Herrscher, hermetisch ausgedrückt ,Herr der Sonnensphäre', wird in der Kabbalah Mettatron genannt. Die kabbalistischen Urschriften bezeichnen Mettatron als den Vermittler zwischen Gott und Mensch (60).“

          Von der Tatsache, daß es innerhalb der jüdischen Religion sogar eine Metatron-Mystik gibt, kann nur der suchende Christ etwas erfahren, denn solche Dinge passen natürlich überhaupt nicht in die christliche Erziehung hinein. Scholem führte dazu aus: „Hierher gehört vor allem die Metatron-Mystik. Sie gruppiert sich um den nach einem frommen Erdenwandel mit Gott zum höchsten aller Engel und Sar ha-panim, das heißt Fürsten des göttlichen Angesichts oder der göttlichen Gegenwart, erhobenen Henoch. ,Gott nahm mich aus der Mitte des Geschlechtes der Sintflut hinweg und trug mich auf den Windesflügeln der Schechina zum obersten Himmel und brachte mich in die großen Paläste in der Höhe des siebenten Himmels Araboth, wo der Thron der Schechina und die Merkaba sind, die Scharen des Zorns und die Heere des Grimms, die Schin'anim des Feuers, die Cherubim der Flammenfackeln, die Of annim der feurigen Kohlen, die Diener der Flammen und die Seraphim der Blitze, und er stellte mich hin, tagtäglich den Thron der Glorie zu bedienen'. Dieser Henoch, dessen Fleisch nach Kapitel 15 zu Flammen wird, seine Adern zu loderndem Feuer, seine Wimpern zu sprühenden Blitzen und seine Augäpfel zu feurigen Fackeln und dem Gott einen Thron neben dem der Glorie anweist, erhielt nach dieser himmlischen Verwandlung den neuen Namen Metatron. — Der zum Engel erhobene Patriarch Henoch wurde, wohl kaum vor dem Beginn des 2. Jahrhunderts nach Christus, mit dem Engel Jahoel oder Joel identifiziert, der in den Schriften der ältesten Thronmystik und noch lange nachher in den Apokalypsen eine zum Teil überragende Rolle spielt. Die wichtigsten Charakteristika dieses Engels sind auf Metatron übertragen worden. — Im babylonischen Talmud ist nur an drei Stellen von Metatron die Rede. Die wichtigste dieser Stellen ist, wenn auf den Namen Metatron bezogen, ganz unverständlich. Es heißt dort in einer Tradition aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts, daß dies der Engel sei, von dem es in 2. Mose 23.21 heiße: ,Hüte dich vor ihm, höre auf seine Stimme und widersetze dich ihm nicht. Denn er wird euer Vergehen nicht vergeben, denn mein Name ist in ihm'. Dies wird verständlich, wenn wir in der schon mehrfach genannten Apokalypse des Abraham im 10. Kapitel diese Deutung auf den Engel Jahoel angewandt finden, der zu Abraham spricht: ,Ich werde Jahoel genannt ... eine Kraft, dank dem unaussprechlichen Namen, der in mir wohnt'. Daß Jahoel den Namen Gottes enthält, springt in die Augen. Jaho — als Abkürzung des Tetragramms JHWH — wurde besonders oft in Texten gebraucht, die mit dem jüdisch-hellenistischen Synkretismus zusammenhängen. Der Engel Jahoel wurde in jüdisch-gnostischer Spekulation auch als ‘kleiner Jaho’ bezeichnet. — Auch jene Talmud-Stelle scheint, wenn sie den Vers 2. Mose 24.1, ,Und JHWH sprach zu Mose: ,Steige auf zu JHWH', auf Metatron bezieht, diesen schon als ‘kleinen Jaho’ stillschweigend vorauszusetzen, als der er dann in anderen Texten explicite auftritt. — Stets bleibt Metatron, oder wie immer er hier heißen mag, die oberste der Kreaturen, während da im Schi'ur Koma offenbarte Inhaber des Thrones eben doch der Schöpfer-Gott selber ist. — Zu den wichtigsten Dingen, deren Schilderung Metatron dem Rabbi Ismael gibt, gehört der kosmische Schleier oder Vorhang vor dem Thron, der die Glorie Gottes von den Engelscharen trennt. — Wer ihn schaut, dringt damit zugleich auch in das Geheimnis der messianischen Erlösung ein (61).“

          Zu der angeführten Stelle 2. Mose 23.21 „. . ., denn mein Name ist in ihm“, ist zu sagen, daß mit dem Namen hier das Tetragramm JHWH gemeint ist, somit Metatron der Vertreter des höchsten Gottes ist.

          Hier gilt es nun zu der wichtigsten Gestalt des Christentums Stellung zu nehmen, nämlich zu Jesus Christus. Aufgrund meiner Vergleiche der Eigenschaften und Aufgaben von Metatron und Christus bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei den Trägern dieser Namen um dieselbe Individualität handelt, wodurch sich dann auch viele Widersprüche zwischen den Aussagen der Bibel und mancher Mystiker auflösen.

          Die Übereinstimmungen sind leicht zu erkennen, wenn ich hier ein paar Aussagen der Bibel über den Christus anführe: „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte; alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht durch ihn (Kol. 1,15).“ Und in Hebr. 1,3: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn, den er zum Erben aller Dinge eingesetzt hat, durch den er auch die Welten gemacht hat.“ Oder in den Apokryphen: „Zu jener Stunde wurde jener Menschensohn bei dem Herrn der Geister und sein Name vor dem Betagten genannt. Bevor die Sonne und die (Tierkreis-) Zeichen geschaffen, und bevor die Sterne des Himmels gemacht wurden, wurde sein Name vor dem Herrn der Geister genannt. Denn der Auserwählte steht vor dem Herrn der Geister, und seine Herrlichkeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und seine Macht von Geschlecht zu Geschlecht (62).“

          Nun muß ich den Leser mit einem okkulten Forschungsergebnis bekannt machen, dessen Verständnis nicht ganz leicht ist. Insbesondere ist dazu ein Wissen von der Reinkarnation oder Wiederverkörperung des menschlichen Geistes notwendig, wonach die Entwicklung des Menschen dadurch fortschreitet, daß er sich laufend in der physischen Welt verkörpert. Ausführlich werde ich darüber im nächsten Kapitel schreiben. Hier ist neben dem Begriff Inkarnation noch der der Inkorporation notwendig. Als Inkarnation bezeichnet man im Okkultismus die Verbindung eines menschlichen Geistes mit einem Kind durch natürliche Geburt. Als Inkorporation bezeichnet man einen Vorgang, bei dem der durch Inkarnation ins Leben getretene Geist seinen physischen Körper verläßt, um ihn einem anderen Geist als Werkzeug zu überlassen.

          Moderne okkulte Lehren, z. B. von Blavatsky und Steiner, gehen davon aus, daß Jesus und Christus als zwei verschiedene Individuen zu betrachten sind. Es wird dort gelehrt, daß sich der Christus in den physischen Leib des Jesus inkorporierte, so bei Frau Blavatsky: „So trat Christos in dem Augenblick seiner Taufe im Jordan in den Menschen Jesus ein. Von dieser Zeit an begann Jesus Wunder zu wirken; vor dem war er völlig unbewußt seiner Mission (63).“

          Von Rudolf Steiner liegen zu diesem Thema umfangreiche Ausführungen vor, deshalb kann ich mich hier mit einem kurzen Zitat begnügen: „Während der Johannes-Taufe nahmen diese Hüllen, als auf der einen Seite die Ichheit des Jesus von Nazareth sie verließ, diejenige Wesenheit auf, die vorher nicht auf der Erde gewesen war, bei der wir nicht davon sprechen können, daß sie durch vorhergehende Inkarnationen durchgegangen ist. — Und ich habe Ihnen schon im ersten Vortrage gesagt, daß dieser Christus dieselbe Wesenheit ist, von der im Alten Testament gesagt wird: ,Und der Geist Gottes schwebte, oder brütete, über den Wassern'. Dieser selbe Geist, also der göttliche Geist unseres Sonnensystems, begab sich in die dreifache Hülle des Jesus von Nazareth (64).“

          Ein weiteres Zitat von Steiner soll zur Absicherung meines Urteils bezüglich der Identität von Metatron und Christus beitragen: „Elohim ist der Gesamtname für die Sonnenwesen; sie hatten damals die Sonne zum Wohnplatz erkoren — nicht zum Wirkungskreis. Christus, der Höchste der Elohim, ist der Regent derselben. Er gehört aber nicht zu den Hierarchien, sondern zur Trinität. In Christus haben wir eine Wesenheit vor uns, die so mächtig ist, daß sie auf alle Glieder unseres Sonnensystems Einfluß hat (65).“

          Obwohl noch ein paar Fragen offenbleiben müssen, gehe ich in diesem Zusammenhang davon aus, daß Metatron als höchster Vertreter des Gottes JHVH sich in den physischen Körper des Jesus inkorporierte, um durch diese besondere Mission als Christus die Erde mit dem makrokosmischen Ich-Bewußtsein zu imprägnieren und zu verbinden. Auf diese Tatsache ist wohl in der Tabelle Seite 17 in der Rubrik „Engelgruppe“ mit dem Vermerk „Seele des Messias“ hingewiesen worden. Aus okkulter Sicht hat durch diese Imprägnierung jeder einzelne Mensch die Möglichkeit bekommen, durch eine magische Entwicklung sein Ich zum makrokosmischen Ich zu erheben, also Gottmensch zu werden.

          An dieser Stelle möchte ich auf eine Merkwürdigkeit hinweisen, die in der Bibel nie deutlich ausgeführt ist. Es handelt sich um jenen Hinweis über den Christus, wo es heißt: „Der Herr wurde nun, nachdem er mit ihnen geredet hatte, in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes (Mk 16,19).“ Hier muß nämlich die Frage auftauchen: Wer sitzt denn eigentlich zur Linken Gottes? Nach den vorangegangenen Ausführungen dürfte klar sein, daß zur Linken Gottes derjenige sitzt, den man allgemein den Herrn der Finsternis nennt, nämlich Satan, Teufel, Belial oder wie auch immer genannt.

          Die Bibel ist voller Symbole und Zahlenangaben, die aus okkulter Sicht immer in irgendeiner Beziehung stehen zu den zehn kabbalistischen Grundzahlen, den Sefiroth und der geistigen Hierarchie. Lange Ausführungen zu den Zahlenangaben der Bibel bieten die „Magischen Werke“ des Agrippa von Nettesheim. Hier sollen nur ein paar Beispiele gegeben werden, wie man aus magischer Sicht Verständnis gewinnen kann für die Symbolsprache der Bibel, wobei die Fehlerhaftigkeit dieses Werkes stets einzukalkulieren ist. In Offb 4 „Der Thron Gottes“ heißt es z. B.: „Nach diesem sah ich: Und siehe, eine Tür, geöffnet im Himmel, ... Sogleich war ich im Geist: Und siehe, ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer.“

          Wenn sich „der Himmel öffnet“, od. einer „im Geist ist“, so bedeutet dies, daß der Eingeweihte Johannes entweder durch Hellsehen, oder durch geistiges Wandern, Wahrnehmungen in der geistigen Welt macht. Weiter heißt es: „Und aus dem Thron gehen hervor Blitze und Stimmen und Donner; und sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron, welche die sieben Geister Gottes sind.“

          Wie bereits erwähnt, hat die Zahl Sieben in der Magie eine doppelte Bedeutung, kann also der Venussphäre entsprechen, oder sich auf die sieben Himmel oder Sphären (Mond bis Saturn) beziehen, was bei dem letzten Zitat der Fall ist.

          Weiter heißt es: „Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall; und inmitten des Thrones und rings um den Thron vier lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten. Und das erste lebendige Wesen war gleich einem Löwen und das zweite lebendige Wesen gleich einem jungen Stier, und das dritte lebendige Wesen hatte das Angesicht wie das eines Menschen, und das vierte lebendige Wesen war gleich einem fliegenden Adler.“

          Auch die Zahl Vier hat eine doppelte Bedeutung, 1. nach der Hierarchie ist sie der Jupitersphäre analog, 2. kann sie hinweisen auf die vier Elemente oder das Tetragrammaton. Im obigen Zitat wird bildhaft hingewiesen auf die vier Urgruppengeister der Menschen, die eine bestimmte Beziehung zum Tetragrammaton haben:

1. Jod—Feuer = Löwe
2. He—Luft = Adler
3. Vau—Wasser= Stier
4. He—Erde = Mensch (Ich)

          Außerdem ist eine Analogie zur Jupitersphäre gegeben, die nach Bardon eine hellblaue Farblichtschwingung hat, was aus Hesekiel I hervorgeht: „Und aus ihrer Mitte, aus der Mitte des Feuers, strahlte es wie der Anblick von glänzendem Metall. Und aus seiner Mitte hervor erschien die Gestalt von vier lebenden Wesen; und dies war ihr Aussehen: die Gestalt eines Menschen hatten sie. Und vier Gesichter hatte jedes, und vier Flügel hatte jedes von ihnen. — Und das war die Gestalt ihrer Gesichter: Das Gesicht eines Menschen und das Gesicht eines Löwen hatten die vier rechts, und das Gesicht eines Stieres hatten die vier links, und das Gesicht eines Adlers hatten die vier. — Und als ich die lebenden Wesen sah, siehe, da war ein Rad auf der Erde neben den lebenden Wesen, bei ihren vier Vorderseiten. Das Aussehen der Räder und ihre Verarbeitung war wie der Anblick von Türkis.“

          Die Zugehörigkeit zur Jupitersphäre wird auch durch die Anzahl der Flügel ausgedrückt, im vorgenannten Abschnitt also vier. Auch im folgenden Zitat wird durch die Anzahl der Flügel auf die Sphärenzugehörigkeit hingewiesen, wodurch meine oben gemachte Bemerkung bezüglich der Seraphim und der Sonnensphäre als richtig bewiesen wird: „Im Todesjahr des Königs Usija, da sah ich den Herrn sitzen auf hohem und erhabenem Thron, und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel. Seraphim standen über ihm. Jeder von ihnen hatte sechs Flügel; mit zweien bedeckte er sein Gesicht, mit zweien bedeckte er seine Füße, und mit zweien flog er (Jes. 6).“

          Der Zusammenhang des Menschen mit den Engeln wird besonders deutlich in diesem Zitat aus Mat. 18: „Seht zu, daß ihr nicht eines dieser Kleinen (die Kinder) verachtet, denn ich sage euch, daß ihre Engel in den Himmeln allezeit das Angesicht meines Vaters schauen, der in den Himmeln ist.“

          Klar ersichtlich wird darauf hingewiesen, daß jedes Kind durch seinen Engel, auch Schutzengel genannt, mit den Grundeigenschaften Gottes „dem Angesicht meines Vaters“ verbunden ist, und daß diese Engel in den Himmeln, also den geistigen Sphären, ihren Wohnplatz haben. Der Okkultismus lehrt zusätzlich, daß ein Schutzgeist den Menschen nicht nur während der Kindheit, sondern durch sein ganzes Leben begleitet, worauf auch in den Apokryphen hingewiesen wird: „Dann kamen andre Engel ebenso; sie jammerten und weinten und sagten unter Furcht und Zittern: ,Schau, wie wir tief betrübt sind, Herr, dieweil wir schlechten Menschen zugewiesen sind! Wir wollen sie deshalb verlassen'. Doch Michael sprach: ,Ihr könnt sie nicht verlassen; sonst möcht' der Feind am End' die Oberhand gewinnen' (66).“

          Große Übereinstimmungen mit den Lehren der Magie über die Hierarchie finden sich auch in dem apokryphen Werk „Die Apokalypse des Paulus“, wo geschildert wird, daß Paulus „bis in den dritten Himmel entrückt wurde“. Der dritte Himmel kann hinweisen auf die dritte Ebene der Erdgürtelzone, die in Analogie steht zur Venussphäre. Außerdem wird noch das Verhältnis zwischen Gott und Mensch verdeutlicht: „Als ich mich noch im Körper befand und bis zum dritten Himmel entrückt wurde, erging an mich das Wort des Herrn: ,Söhne Gottes seid ihr, wegen der Hemmnisse dieser Welt aber begeht ihr Werke des Bösen und hofft dabei noch auf Christus. Geht in euch und erkennt, daß alles Geschaffene zu Gottes Ehre dient und allein das menschliche Geschlecht sündigt; alle Kreatur ist ihm untertan, und doch sündigt es mehr als alle Kreatur' (67).“

          Auch über die Arbeit der Schutzengel finden sich dort eindrucksvolle Sätze: „Wenn also die Sonne sinkt, in der ersten Stunde der Nacht, verläßt der Engel jeden Volkes und jedes Menschen seine irdische Wohnstatt — jeden Menschen nämlich beschützt und hütet ein Engel, denn der Mensch ist Gottes Ebenbild. So eilen also am Morgen, zur zwölften Stunde der Nacht, alle Engel der Menschen, Gott anzubeten und ihm jedes Werk zu übergeben, das der Mensch vollbrachte, sei es gut oder böse. Jeden Tag und jede Nacht legen die Engel vor Gott Rechenschaft ab über alle Taten des Menschengeschlechts (68).“ Über seine Taten, nicht über seinen Glauben!

          In den Apokryphen sind umfangreiche Berichte über die Engel und die Sphären oder Himmel enthalten, sowie über die Erlebnisse, welche die eingeweihten Propheten dort durchgemacht haben. Es ist verständlich, daß die Kirchenväter die meisten dieser Berichte aus den kanonischen Schriften hinausgeworfen haben, denn dort gibt es sehr eindrucksvolle Schilderungen darüber, was manche Bischöfe und Priester nach ihrem Tode erwartet — sehr unangenehme Erlebnisse. Grundsätzlich kann jedenfalls gesagt werden, daß erstaunlich viele Parallelen zu den okkulten Lehren in den Apokryphen enthalten sind. Unter anderem auch darüber, daß sich die Arbeiten der Engel auch auf die Elemente der Erde beziehen: „Da sah ich auf dem fünften Firmament, wie Sternenmächte (Astralmächte, d. V.) die Befehle ausführen; dabei gehorchten ihnen selbst der Erde Elemente (69).“

          Der katholische Theologe Von Petersdorff hielt offenbar nicht besonders viel von den Worten des Christus, denn er schrieb u. a.: „Eine Sonderstellung nimmt die natürliche Gotteserkenntnis der Engel ein: sie ist wiederum eine Mittelstellung. Der Engel erkennt nicht unmittelbar die Wesenheit Gottes, so wie sich Gott selbst erkennt; und er erkennt andrerseits auch Gott nicht nur allgemein aus der Schöpfung und den anderen Geschöpfen, wie wir. Vielmehr erkennt er das Abbild der Wesenheit Gottes, wie sie sich in seinem eignen Wesen spiegelt: ,die Natur des Engels selbst ist gleichsam der Spiegel, der das göttliche Abbild widerspiegelt'. Ist diese natürliche Gotteserkenntnis des Engels auch die vollkommenste, die ein Geschöpf haben kann, so ist sie doch nicht ausreichend, bis in die übernatürlichen Geheimnisse Gottes, in die göttlichen Mysterien einzudringen: dazu bedarf es der übernatürlichen Gnade, die den Geschöpfen die Übernatur des Schöpfers offenbart (70).“

          Es ist schon höchst erstaunlich, wenn ein Autor, der in seinen Büchern laufend die Wahrheit auf den Kopf stellt, und offensichtlich wenig vom „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ gegessen hat, Betrachtungen anstellt über die Erkenntnisfähigkeit der Engel.

          Nachdem die Haltung des Okkultismus zur Dualität im Kosmos ausreichend dargelegt wurde, möchte ich hier noch eine kurze Betrachtung einflechten in Verbindung mit einigen Sätzen aus dem Buch „Wie böse ist das Böse“: „Manchmal, z. B. im alten Persien, trifft man diese Anschauung (des Polytheismus, d. V.) in der Form des sog. Dualismus: Es gibt zwei Urgötter, einen guten und einen bösen. Das Böse besitzt göttliche Macht. Davor muß der Mensch eigentlich von vornherein resignieren. Diese dualistische Erklärung ist sowohl für Israel wie für das Christentum unannehmbar. Beide sind ja streng monotheistische Religionen. Für sie gibt es nur einen Gott (71).“

          Von der Tatsache, daß der eine ungeoffenbarte Gott sich für den Menschen nur und ausschließlich als Dualität offenbaren kann, was ja auch die Kabbalisten schon vor Jahrhunderten festgestellt haben, hat der Verfasser offenbar nie etwas gehört. Auch die Tatsache, daß das Böse in seiner Äußerung durch die Hierarchie göttliche Macht besitzt, braucht den Menschen nicht zu erschrecken, denn als Ebenbild Gottes verkörpert er die Gesamtheit Gottes, während das sogenannte göttliche Böse nur in milliardenfacher Teilung vorhanden ist. Die Chancen des Menschen, mit dem Bösen fertig zu werden, stehen somit gar nicht schlecht. Allerdings wäre es zu begrüßen, wenn bald eine größere Anzahl Menschen mit der praktischen Überwindung des Bösen beginnen würde. Durch bloßen Glauben wird man über das Böse allerdings kaum bemerkenswerte Siege erringen können.

          Die geistige Haltung christlicher Denker zielt fast immer in dieselbe Richtung: Nur nicht darüber nachdenken! So auch hier: „Über das Wesen des Teufels wissen wir wenig oder fast nichts Gewisses. Auch das Neue Testament hat an solchen Spekulationen kein Interesse. Uns darüber viel Gedanken zu machen bringt nichts. Das Geheimnis des Bösen bleibt letztlich unlösbar (72).“ Allerdings, für denjenigen der nicht nachdenken will, bleibt dieses Geheimnis unlösbar!

          In der Bibel sind die Engel praktisch allgegenwärtig. Aus dem Verhältnis von Gott und Engel ist bereits klar geworden, daß auch alle jene Teile der Bibel, in denen Gott als Handelnder geschildert wird, so zu interpretieren sind, daß die Handlungen durch die Engel und Genien der Hierarchie ausgeführt wurden. Dabei sind dann noch jene Teile auszusondern, die durch Entstellungen und Verfälschungen der jüdischen und christlichen Priester in die Bibel hineingebracht wurden.

          Auch sollte man sich sehr davor hüten, die Ursachen für böse Handlungen den Engeln oder Dämonen der Hierarchie zuzuschreiben, nur weil man die genauen Ursachen nicht kennt. Insbesondere das Alte Testament ist voll von solchen Darstellungen, die das wahre Bild Gottes geradezu in sein Gegenteil verkehren. Aber auch moderne Autoren bewegen sich noch auf der gleichen Linie: „Es gibt also — das ist eine universale Erfahrung der Menschheit — nicht nur das Böse als Tat des Menschen, sondern auch das Böse als Einfluß auf den Menschen. Mit anderen Worten: Es gibt böse Mächte und Gewalten, die den Menschen in seiner Freiheit beeinflussen oder sogar versklaven. Das dürfte unbestritten sein (73).“

          Mit solchen Sprüchen wird die Verantwortung für negative oder böse Handlungen vom Menschen hinweg auf die Hierarchie abgewälzt, womit dann jeder Verbrecher sein Gewissen entlasten kann. Kein negatives Wesen kann einen Menschen irgendwie beeinflussen, wenn dieser nicht durch seine negativen Charaktereigenschaften und sein negatives Denken und Vorstellen vorher die Gelegenheit dazu schafft. Auf dieses Problem werde ich noch zurückkommen.

          Es soll zwar nicht bestritten werden, daß aus den geistigastralen Welten Einflüsse auf den Menschen ausgeübt werden, aber dies hängt insbesondere mit der durch negatives Denken und Vorstellen verbundenen unbewußten Bildung von Larven und Schemen zusammen, worüber Bardon ausführlich berichtet hat.

          Viele christliche Autoren gehen davon aus, daß der Teufel mit seinem dämonischen Anhang eines Tages ganz vernichtet wird, was selbstverständlich ein großer Irrtum ist. Dies folgt schon daraus, daß durch die Vernichtung oder Auflösung eines negativen Wesens oder einer negativen Kraft automatisch auch das positive Wesen vernichtet würde. Das gesamte Gleichgewicht im Kosmos wird ausschließlich bewirkt durch das Vorhandensein der Dualität innerhalb der geistigen Hierarchie. Die Überwindung oder Herrschaft über das Böse kann sich demnach immer nur beziehen auf den Menschen, auf die praktische Verwirklichung positiver Eigenschaften und Kräfte im eigenen geistig-seelischen Bereich. Nur durch eine solche Verwirklichung des Guten werden die bösen Mächte beherrscht und auf Distanz gebracht. Deshalb müssen die folgenden Sätze über die Bestimmung des Menschen als Aberglaube bezeichnet werden: „Die Menschen sind dazu bestimmt, die abgefallenen Dämonen zu ,ersetzen', die entstandenen Lücken in den Engelchören wieder zu schließen und so die teilweise ,Ruine in der Engelwelt' (ruina angelica) wiederherzustellen. Diese Fundamental-Wahrheit der Dämonologie ist in der vorliegenden allgemeinen Fassung des hl. Thomas eine der wenigen Sentenzen, die so gut wie gar nicht angefochten, sondern von Vätern wie Theologen in seltener Einmütigkeit gehalten wurde und wird (74).“

          Den Abschluß dieses Kapitels sollen ein paar Sätze von Rudolf Steiner bilden, die auch in weitgehender Übereinstimmung mit dem bereits Gesagten stehen und seine großartige Gottesvorstellung beweisen: „Jenseits also der Seraphim haben wir zu sehen jene höchste Göttlichkeit, welche Sie bei fast allen Völkern finden als die dreifache Göttlichkeit, ausgedrückt als Brahma, Schiwa, Wischnu, als Vater, Wort und Heiliger Geist. Dieser höchsten Göttlichkeit, der obersten Dreieinigkeit, entspringen gleichsam die Pläne zu einem jeden neuen Weltensystem. — Wenn wir über die Seraphim hinaufgehen würden, würden wir in das Gebiet der göttlichen Trinität hineinkommen. Was ist es denn, was die Seraphim, Cherubim, Throne als etwas ganz Besonderes haben vor allen anderen Wesenheiten in der Welt? Sie haben, was man genannt hat ,den unmittelbaren Anblick der Gottheit'. Was der Mensch sich durch seine Entwicklung nach und nach suchen muß, das haben sie von allem Anbeginn an. — Was sie tun, was sie vollbringen, sie tun es aus ihrer Gottesanschauung heraus, Gott tut es durch sie (75).“

          Welche Voraussetzungen ein Mensch erfüllen muß, um mit den Engeln der Hierarchie in direkten Kontakt treten zu können, das ist in den Werken von Franz Bardon ausführlich beschrieben. Hier soll nur soviel gesagt werden, daß ein solcher Kontakt verknüpft ist mit einer ganz bestimmten ethischen Entwicklung, worauf ich noch zurückkomme.

* * *